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Die ganze Musik, die mich ja doch seit meinem zehnten Lebensjahr prägte, stand rein körperlich für andere im Widerspruch zu meinen sportlichen Aktivitäten. Final wurde es ja der Handball mit dreimal Training und einem Punktspiel, also vier Tage die Woche, da kam es schon mal zu Verletzungen an der Hand, die dafür sorgten, dass mein Klarinetten oder Keyboardspiel ein wenig ruhen mußten. Oder ich spielte einfach langsamer, mehr mit Gefühl, das war mir damals noch nicht so bewußt, wäre jedoch heute meine passende Antwort geworden.

[Auf dem Bild bin ich übrigens der zweite von rechts unten.]

Mit zehn etwas fing ich an mich auszuprobieren, Leichtathletik, Schwimmen, Tischtennis, dann Handball. Meine Freunde machten es ähnlich, so sah ich je nach Sportart den einen oder anderen wieder. Beim Leichtathletik blieb ich einen Sommer, dann merkte ich es ist nicht so mein Ding. Naja, das Investment für mein Eltern war ja übersichtlich. Sportsachen hatte ich sowieso schon, also eine kurze Sporthose und ein T-Shirt und es wurden ja damals, also 1973 nicht gleich für jede Disziplin der Leichtathletik spezielle Schuhe gekauft. Heute ist dies etwas anders. Nach dem Sommer entschloß ich mich zum Tischtennis, dem ich über den Winter meine Aufmerksamkeit schenkte. Ein Schulkamerad war dort bereits und spielte ganz gut. Es ist ja immer so, dass wenn Du neu irgendwo hin kommst, Du Dich ja erst mal hinten anstellen mußt, in der Regel sind die anderen besser. So auch hier, doch ich ging regelmäßig dienstags und donnerstags zum Training und es wurde auch besser.

Bevor ich in irgendeiner Mannschaft einen Platz fand war ich auch schon wieder fort und versuchte mich noch im Schwimmen. Wie grauenhaft, wie furchtbar, das war nun gar nicht meine Sportart, ich glaube ich find da nur freitags vier- bis sechsmal hin bevor ich das Handtuch warf, denn ich kam nur von der Stelle wie eine Schildkröte, wie später Katharina auch mal zu mir sagte. Du schwimmst wie eine Schildkröte… Doch dann kam die gute Entscheidung in die D-Jugend des örtlichen Handballvereins, also zu den 10-12 jährigen, zu wechseln, zu dem Verein, der gerade im Ort einen guten Hype erfuhr, denn man spielte Verbandsliga, was für so einen kleinen Ort wie den unseren schon etwas ziemlich besonders war. Es war bereits damals bekannt, dass ein besonders guter Handballer beim örtlichen Bauträger angestellt war, um freigestellt zu werden, also täglich trainieren zu können. Das war schon eine Besonderheit und Ausnahme in dieser Klasse, damals. Dazu kam dann ein besonders guter Trainer, der später Dozent an einer Sporthochschule werden sollte, und auch mein A-Jugendtrainer wurde.

Ich durchlief die verschiedenen Stationen eines Handballer, durfte am Kreis den Kreisläufer spielen, dann mal Linksaußen, und auch im Rückraum. Während der C-Jugend, also zwischen dem zwölften und vierzehnten Lebensjahr kam ein pensionierter Sportlehrer aus Ungarn mit einem sympathischen Akzent. Wenn wir nicht zielgenau warfen, dann war einer seiner Sprüche „Runter oder rauf!“ Noch etwas später, während meiner Zeit in der B-Jugend trainierten wir gleichzeitig dienstags und donnerstags zwischen 17:30 und 19:30 in der großen neuen Sporthalle mit der A-Jugend, wir im linken, die A-Jugend im rechten Teil der Halle. Der coole Trainer der ersten Mannschaft, also der, die in der Verbandsliga spielte, trainierte auch die A-Jugend, weshalb ich zweimal die Woche sehen konnte, wie sich sein Trainingsprogramm von dem unsrigen, geprägt durch die alte Schule unseres ungarischen Trainers unterschied.

A-Jugend

Ich war während meiner Handballzeit gut durchtrainiert und sportlich sehr ehrgeizig. Das sehr moderne Trainingsprogramm der A-Jugend ließ mich schon ziemlich neidisch werden, zumal mein Entwicklungsprozess mit fünfzehn Jahren rasant voranschritt. Ich war extrem gut durchtrainiert und wollte mehr, mir reichte es so wie es ablief einfach nicht mehr. Ich sprach mit dem A-Jugendtrainer ob er mich ein Jahr früher zu sich in die A-Jungendmannschaft holen würde was er bejahte, er meinte es mir durchaus zutrauen zu können, da ich körperlich gut entwickelt sei. Ich überlegte noch die ein oder andere Woche, doch dann entschied ich mich unseren ungarischen Trainer zu informieren. Irgendwie lernte ich damals bereits schlechte Nachrichten gut verpackt zu verkaufen, eine Eigenschaft, die mir später noch viel bringen sollte. Der ungarische Trainer war „not amused“ wie man neudeutsch gerne sagen würde, er sah auch seine kommende Saison in Gefahr, hatte er doch unter anderem auf mich gesetzt und war doch ein Aufstieg auch mit der B-Jugend möglich. Da meine Entscheidung feststand, und er keinerlei überzeugende Argumente mir gegenüber fand, mußte er es akzeptieren und ich trainierte ab sofort, also noch am gleichen Abend mit der A-Jugend. Stolz wie Oskar, eine Redewendung die wir in meinem Herkunftsstädtchen verwendeten und die aus . kam, … , . nahm ich erstmalig am Training der A-Jugend teil. Ich war so dermaßen motiviert, und dies hielt dann auch die folgende Jahre an. Während ich mich an so richtigen Highlights mit der C- und B-Jugend nicht erinnern kann, sind die der A-Jugend, immerhin verweilte ich dort drei Jahre, statt zwei, da ich ja ein Jahr eher dort hin wechselte, sehr präsent.

Bereits im zweiten Jahr, als sowohl noch ältere in der Mannschaft waren, als auch gleichaltrige von der B-Jugend zu uns rückten, wurde ich zum Manschaftskapitän gewählt. Meine Lieblingsposition war die des Linksaußen, wo ich dann mit meinem ganze Körpereinsatz von außen nach innen zog, ggf. noch einen Gegenspieler am Körper oder Arm klebend mit schleifte um dann die Hütte, wie unser Trainer das Tor zu nennen pflegte machen durfte. Da wir auch mit der A-Jugend in der Verbandsliga spielten, waren unsere Ziele bei den Punktspielen durchaus etwas weiter entfernt und wir hatten durchaus Fahrten von bis zu eineinhalb Stunden einfach, um zu den entsprechenden Veranstaltungshallen zu gelangen.

15:14

Ich kann mich noch sehr genau an ein Spiel in Düsseldorf erinnern, bei dem wir gegen den Tabellenersten antreten mußten, die auch einen Nationalspieler in ihren Reihen hatten, den ich die ganze erste Halbzeit in Manndeckung nahm und der kein Bein auf den Boden bekam, nur ein einziges Tor warf, da er sich einmal aufgrund einer Sperre durch einen anderen Spieler von mir zu lösen vermochte. So führten wir zur Halbzeit mit 7:1, was spektakulär war. Dann nach der Halbzeit, unser Torwart zeichnete sich immer wieder mal dadurch aus, sich wegen Nichtigkeiten aufzuregen, so auch diesmal, er fühlte sich bei einem Siebenmeter gegen uns von den Schiedsrichtern nicht fair behandelt und fing eine heftige Diskussion mit denselbigen an. Er war so dermaßen aufgebracht, dass er immer weiter schimpfte und dies trotz mehrmaliger Ermahnung durch die Referees. Die logische Konsequenz für Meckern ist eine Zwei-Minuten Strafe, die er dann auch bekam, und immer noch schimpfend zur Bank trottete. Damit begann die Wende im Spiel. Ich mußte die Manndeckung aufgeben, da wir in Unterzahl waren, der Düsseldorfer Gegner kam bereits während dieser zwei Minuten auf 4:7 heran und wir mußten das Spiel am Ende der 60 Minuten leider mit 15:14 verloren geben. Ziemlich niedergeschlagen und körperlich ausgelaugt begaben wir uns in die Kabine, es blieb ziemlich still, außer unserem Torwart. Die heiße Dusche tat so dermaßen gut, als ob sie den energielosen Körper wieder auflud. Wir fuhren mit vier Autos zurück zu unserem Heimatort. Da es Samstagabend war, trafen wir uns im Vereinsheim, wo später auch die erste Mannschaft dazu kam. Es flossen einige Bier, ich war ja schon Sechszehn, und so konnten wir den Frust der Niederlage, der diesmal besonders hoch lag, waren wir doch so nah an einem Sieg über den Tabellenführer gewesen, runterspülen.

Es gab weitere Spiele die sich bei mir einbrannten, so z.B. in unserer eigenen Halle als Auftaktspiel zum Duell unserer ersten Mannschaft mit einem Wettbewerber in der Verbandsliga. Wir spielten diesmal gegen einen nicht weit entfernten Nachbarort und es war ein knappes packendes Spiel. Für die notwendige gut Atmosphäre sorgten eine Reihe an Zuschauern, die sich mehr und mehr in der Halle einfanden um das Spiel der ersten Mannschaft zu sehen. Wir profitierten von deren Spiel und zu unserer zweiten Halbzeit war die Halle schon ziemlich gefüllt und wir wurden auch angefeuert. Es war so spannend und es stand kurz vor dem Spielende, ca. bei 59:30 noch 17:17 unentschieden. Wir waren im Angriff, ich packte meine gesamte Entschlusskraft in eine 1:1 Auseinandersetzung mit meinem Gegenspieler auf Linksaußen, zog von ganz links am Kreis nach innen, warf und die „Hütte“ war gemacht. Das Spiel war abgepfiffen, die Halle tobte und schrie meinen Vor- und Nachnamen „Detlef Wiese, Detlef Wiese, Detlef Wiese“, alle schmissen sich auf mich und es war ein dermaßen großes Glücksgefühl – ein Gefühl was ich für mein Leben einspeicherte und auch in bestimmten Situationen immer wieder abrufen konnte. Ein Teil davon war einerseits ein Sieger-Gen, andererseits, und ich glaube auch der größere Teil, der Einsatz, den man bringen muß um etwas zu erreichen, das Wissen um des Einsatzes Willen, also dass Dir klar ist mit Einsatz, mit Engagement kannst Du ganz alleine für eine Veränderung sorgen, kannst Du für Deinen persönlichen Erfolg sorgen. Das ist dann in meinem Leben so wichtig geworden, auch im Alltag und bei der Erziehung meiner beiden Kinder, Isabel und Magnus, die das beide auch haben, die wissen, dass sich Einsatz, dass sich Mühe lohnen wird. Und wenn Du dies einmal erlebt hast, dann kannst Du es auf alle möglichen Themen kopieren, der Mechanismus ist immer identisch.

Der Handball hat mir neben der Musik viel gegeben, die Energie und Kraft, die ich aufgrund meiner Kindheit brauchte. Die Alternative mit dem Kinderbackground wäre gewesen mich komplett zurückzuziehen, ggf. depressiv zu werden, womit ich aus einer solchen Situation kommend nicht der einzige gewesen wäre.

Für ein mangelndes Selbstbewusstsein hatten oder hätten, das überlasse ich den Lesern, auch noch andere Umstände gesorgt.